Kinder und Jugendliche wachsen in einer Welt auf, die sich schneller verändert als je zuvor. Für Jugendleiter*innen bedeutet das: Wer junge Menschen wirklich erreichen will, muss ihre Themen, Trends und Herausforderungen kennen – und verstehen, wie diese ihr Denken und Handeln prägen.
Ob der wachsende Fokus der Gen Z auf Geld und Konsum, die Frage nach kultureller Teilhabe in einer alternden Gesellschaft oder die Forderung, die Stimme der jungen Generation stärker in Politik und Öffentlichkeit hörbar zu machen – die Themen sind vielfältig und hochaktuell.
Auch Technologie spielt eine doppelte Rolle: Sie eröffnet Chancen für Bildung und Vernetzung, verschärft aber zugleich bestehende Ungleichheiten. Gleichzeitig zeigen Jugendliche, wie kreativ sie mit neuen Mitteln umgehen – etwa wenn KI dazu beiträgt, regionale Sprachen wiederzubeleben und kulturelle Identität neu zu formen.
Diese Kolumne lädt dazu ein, genauer hinzuschauen: auf die Lebenswelt junger Menschen, auf Trends, die ihre Zukunft bestimmen, und auf Impulse, die Jugendleiter*innen inspirieren können. Denn wer Kinder und Jugendliche begleitet, gestaltet nicht nur ihre Gegenwart, sondern auch die Gesellschaft von morgen.
Generation Z: Ein neuer Kult um Geld und Luxus
Die Generation Z, also die Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 13 und 28 Jahren, zeigt eine bemerkenswerte Fixierung auf Kapital und Luxus. In einer Welt, in der finanzielle Sicherheit und materielle Werte einen hohen Stellenwert einnehmen, wird Geld oft als eine Art Gott verehrt. Diese Entwicklung ist sowohl eine Reaktion auf wirtschaftliche Unsicherheiten als auch das Ergebnis eines gesellschaftlichen Wandels, der von sozialen Medien und Konsumkultur geprägt ist. Während einige aus der Generation Z mit Statussymbolen protzen, streben andere nach finanzieller Freiheit und Unabhängigkeit.
Ein zentraler Punkt der Analyse ist, dass die Generation Z durch die ständige Konfrontation mit prächtigen Lebensstilen in sozialen Medien geprägt wird. Dies führt zu einem verstärkten Wunsch, materielle Dinge zu besitzen, um sich selbst zu definieren und soziale Anerkennung zu erlangen. Gleichzeitig gibt es auch Bestrebungen, finanzielle Bildung zu erlangen, um langfristig unabhängig zu sein.
Ableitungen für die Jugendarbeit
Für Jugendleiter*innen ist es wichtig, diese Trends zu erkennen und in ihre Arbeit zu integrieren. Das Thema Luxus sollte nicht nur aus einer kritischen Perspektive betrachtet werden; es kann auch als Ausgangspunkt genutzt werden, um Werte wie Nachhaltigkeit und bewussten Konsum zu thematisieren. Zusätzlich könnten Projekte zur Förderung von Kreativität und individuellem Ausdruck entwickelt werden, die den Teilnehmenden alternative Wege aufzeigen, sich zu definieren, ohne sich ausschließlich auf materielle Besitztümer zu stützen. Indem Jugendleiter*innen diese Themen ansprechen, können sie eine positive und nachhaltige Entwicklung in der Lebenswelt der Jugendlichen unterstützen.
Jugendliche im Dilemma: Zu viel Zeit am Handy, zu wenig Kontrolle
Die Nutzung von Handys und sozialen Medien ist für Jugendliche im Alter von 14 bis 20 Jahren ein fester Bestandteil ihres Alltags. Eine aktuelle Studie der Vodafone-Stiftung zeigt jedoch, dass viele Jugendliche mit ihrer Bildschirmzeit unzufrieden sind und sich Unterstützung wünschen, um ihre Nutzung besser zu regulieren.
Zentrale Erkenntnisse:
- Exzessive Nutzung: Über 69 % der Jugendlichen verbringen mehr Zeit am Handy, als sie selbst für angemessen halten. 56 % geben an, dass sie soziale Medien gerne weniger nutzen, es aber nicht schaffen. Dies zeigt eine klare Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach weniger Nutzung und der Realität.
- Negative Auswirkungen: Eine Mehrheit (61 %) der Jugendlichen berichtet, dass sie durch die exzessive Nutzung andere wichtige Aktivitäten vernachlässigen. Studien belegen einen Zusammenhang zwischen starker Nutzung sozialer Medien und psychischen Belastungen, was die Notwendigkeit einer Regulierung unterstreicht.
- Wunsch nach Unterstützung: Die Jugendlichen äußern den Bedarf nach effektiven Hilfen, um ihre Nutzung zu reduzieren. Viele sind sich der Probleme bewusst, die mit der Nutzung sozialer Medien einhergehen, und suchen nach Orientierung, insbesondere in Schulen.
- Notwendigkeit von Medienkompetenz: Bildungsexperten fordern, dass Schulen und Plattformen stärker in die Verantwortung genommen werden. Statt Verbote zu erlassen, sollten digitale Kompetenzen gefördert werden, sodass Jugendliche lernen, ihre Mediennutzung selbstständig zu regulieren.
Ableitungen für die Jugendarbeit
Medienkompetenz in der Jugendarbeit könnten helfen, Jugendlichen Strategien zur Selbstregulierung ihrer Handy-Nutzung zu vermitteln. Zudem sollten in Gruppenstunden Themen wie digitale Ablenkung und gesunde Mediennutzung angesprochen werden, um die Teilnehmenden zu sensibilisieren.
Es gilt, ein unterstützendes Umfeld zu schaffen, in dem Jugendliche ihre Erfahrungen teilen können und in dem sie lernen, wie sie soziale Medien sinnvoll nutzen können, ohne ihre anderen Lebensbereiche zu vernachlässigen. Die Förderung von Resilienz und Selbstwirksamkeit ist dabei von großer Bedeutung, um die Jugendlichen zu befähigen, selbstbestimmt und reflektiert mit digitalen Medien umzugehen.
Kulturpass für Jugendliche vor dem Aus
Der Kulturpass, ein bundesweites Programm, das jungen Menschen im Alter von 18 Jahren ein Guthaben von 100 Euro für kulturelle Angebote wie Kino, Konzerte und Bücher bot, steht kurz vor dem Ende. Das Programm wurde ursprünglich ins Leben gerufen, um Hemmschwellen abzubauen und den Zugang zur Kultur zu erleichtern, besonders nach den finanziellen Einbußen während der Pandemie. Rund 1,5 Millionen Jugendliche waren berechtigt, wobei etwa 500.000 den Pass aktiv nutzten. Der Kulturpass wurde von vielen als ein Schritt in die richtige Richtung angesehen, um kulturelle Teilhabe zu fördern.
Die Entscheidung, das Programm nicht weiterzuführen, wurde von der Bundesregierung getroffen, welche sich auf die Einschätzung des Bundesrechnungshofes stützt, dass Kulturangelegenheiten Ländersache seien. Dies hat zu erheblichem Unmut bei Jugendlichen und Kulturvertretern geführt, die die Bedeutung des Kulturpasses für den Zugang zur Kultur betonen.
Ableitungen für die Jugendarbeit
Auch wenn der Kulturpass möglicherweise eingestellt wird, sollten alternative Möglichkeiten zur kulturellen Teilhabe geschaffen werden. Es kann sinnvoll sein, eigene Aktionen oder Projekte ins Leben zu rufen, die den Zugang zu Kulturangeboten fördern, sei es durch Kooperationen mit lokalen Kultureinrichtungen oder durch die Organisation von eigenen Veranstaltungen. Darüber hinaus sollten die Jugendlichen aktiv in die Diskussion über kulturelle Angebote einbezogen werden, um zu verstehen, welche Interessen und Bedürfnisse sie haben.
Wiederbelebung des Helgoländer Friesisch: KI als Retter einer bedrohten Sprache
Auf der Hochseeinsel Helgoland kämpft der 22-jährige Student Jakob Martens dafür, die fast ausgestorbene Sprache Halunder, ein Dialekt des Helgoländer Friesisch, durch den Einsatz künstlicher Intelligenz zu retten. Trotz der wirtschaftlichen Blüte der Insel, die heute über 1300 Einwohner aus 40 Ländern beherbergt und jährlich rund 300.000 Touristen anzieht, sind es nur noch etwa 100 Menschen, die Halunder sprechen – und diese sind meist älter.
Martens hat im Rahmen seiner Bachelorarbeit ein innovatives Übersetzungstool namens halunder.ai entwickelt, das es ermöglicht, alte und neue Begriffe in die Sprache zu übersetzen und so die sprachliche Identität der Helgoländer zu bewahren. Die Motivation hinter diesem Projekt ist nicht nur der Erhalt der Sprache selbst, sondern auch die Vermeidung des Identitätsverlustes, der mit dem Verschwinden einer Sprache einhergeht. Sprachforscher warnen davor, dass der Verlust von Sprache oft negative soziale Folgen wie Depression oder Arbeitslosigkeit nach sich ziehen kann.
Die Nutzung von KI für die Wiederbelebung von Halunder könnte als Modell für andere bedrohte Sprachen dienen, da viele Sprachen weltweit Gefahr laufen, in Vergessenheit zu geraten. Während die Zukunft anderer Sprachen wie Englisch oder Mandarin gesichert zu sein scheint, bleibt für Halunder die Frage, ob die digitale Unterstützung ausreicht, um diese kulturelle Identität zu bewahren.
Ableitungen für die Jugendarbeit
Für Jugendleiter*innen ist das Beispiel der Helgoländer Sprache ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie kulturelle Identität durch innovative Ansätze gefördert werden kann. In der Jugendarbeit sollte die Bedeutung von Sprache und Dialekten nicht unterschätzt werden. Es kann interessant sein, Projekte zu initiieren, die lokale Dialekte oder Sprachen in den Fokus stellen und Kinder und Jugendliche ermutigen, sich mit ihrer sprachlichen und kulturellen Identität auseinanderzusetzen.
Kinder und Jugendliche in der alternden Gesellschaft: Ein Aufruf zur Generationengerechtigkeit
In Deutschland sehen sich Kinder und Jugendliche zunehmend als eine benachteiligte Gruppe in einer Gesellschaft, die immer älter wird. Der demografische Wandel hat dazu geführt, dass die Anzahl der jungen Menschen im Land sinkt, während die Zahl der älteren Menschen steigt. Diese Verschiebung hat nicht nur Auswirkungen auf die soziale Struktur, sondern auch auf politische Entscheidungen, die oft die Bedürfnisse der älteren Generation priorisieren.
Der Beitrag des Deutschen Jugendinstituts (DJI) zeigt auf, dass Kinder und Jugendliche in der politischen Diskussion oft übersehen werden. Ihre Interessen und Bedürfnisse geraten in den Hintergrund, während ältere Menschen, die über 50 Jahre alt sind, bereits fast 60 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung ausmachen. Diese demografische Schieflage führt dazu, dass die Stimme der jüngeren Generation in vielen politischen Entscheidungen nicht ausreichend gehört wird.
Zusätzlich zu dieser strukturellen Benachteiligung sind Kinder und Jugendliche auch von Adultismus betroffen, einer Form der Diskriminierung, die sie aufgrund ihres Alters als unerfahren oder inkompetent abwertet. Diese gesellschaftlichen Normen schränken ihre Teilhabe und Mitbestimmung ein, was zu einer prekären Situation für die jüngeren Generationen führt.
Ableitungen für die Jugendarbeit
Für Jugendleiter*innen ist es entscheidend, die Bedürfnisse und Herausforderungen von Kindern und Jugendlichen in einer alternden Gesellschaft zu erkennen und aktiv anzugehen. Um mehr Generationengerechtigkeit zu fördern, sollten folgende Maßnahmen in der Jugendarbeit berücksichtigt werden:
- Stärkung der Partizipation: Kinder und Jugendliche sollten nicht nur gehört, sondern aktiv in Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Dies kann durch die Einrichtung von Jugendparlamenten oder -räten geschehen, die direkt in politische Diskussionen eingebunden werden.
- Bildungsangebote fördern: Es sollte ein Fokus auf die Verbesserung der Bildungsangebote gelegt werden, insbesondere in sozial benachteiligten Regionen. Programme, die die Chancengleichheit erhöhen, sind notwendig, um den negativen Trend in den Bildungsstudien entgegenzuwirken.
- Intergenerationale Projekte: Initiativen, die den Austausch zwischen Jung und Alt fördern, können helfen, Vorurteile abzubauen und ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse beider Generationen zu schaffen. Solche Projekte könnten auch zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts beitragen.
- Sensibilisierung für Altersdiskriminierung: Workshops und Informationsveranstaltungen, die sich mit dem Thema Altersdiskriminierung und Adultismus beschäftigen, können Bewusstsein schaffen und Kinder und Jugendliche ermutigen, ihre Stimme zu erheben.
Durch diese Maßnahmen können Jugendleiter*innen dazu beitragen, die Lebensbedingungen für Kinder und Jugendliche in einer alternden Gesellschaft zu verbessern und ihre Rolle als aktive Teilnehmende in der Gesellschaft zu stärken.