Demokratie ist mehr als ein politisches System. Sie ist eine Haltung – und sie beginnt nicht erst bei Wahlen oder in Parlamenten, sondern im Alltag. Genau deshalb ist die Kinder- und Jugendarbeit ein zentraler Ort, um Demokratie erlebbar zu machen. Gruppenstunden, Ferienfreizeiten und Projekte bieten unzählige Gelegenheiten, Beteiligung, Mitbestimmung und Verantwortung praktisch zu erfahren. Doch wie gelingt das konkret?
Demokratie beginnt mit Haltung
Demokratie lässt sich nicht „verordnen“. Sie zeigt sich vor allem darin, wie Leitungspersonen mit Macht, Entscheidungen und Meinungsvielfalt umgehen. Wer Demokratie in der Gruppe leben will, muss bereit sein zuzuhören, andere Perspektiven ernst zu nehmen und Kontrolle abzugeben.
Kinder und Jugendliche merken sehr schnell, ob ihre Meinung wirklich zählt – oder ob Beteiligung nur ein schönes Wort ist. Eine demokratische Haltung bedeutet daher: nicht alles vorzugeben, nicht immer die schnellste Lösung zu wählen, sondern Prozesse zuzulassen, auch wenn sie länger dauern oder anstrengender sind.
Beteiligung im Alltag ermöglichen
Demokratie wird nicht durch große Reden gelernt, sondern durch kleine, alltägliche Entscheidungen. Schon einfache Fragen können Beteiligung ermöglichen:
Was wollen wir heute spielen?
Wie soll unser Gruppenraum aussehen?
Welche Regeln brauchen wir, damit sich alle wohlfühlen?
Wenn Kinder und Jugendliche erleben, dass ihre Ideen Einfluss haben, entsteht Selbstwirksamkeit. Sie lernen: Meine Stimme macht einen Unterschied. Genau das ist ein Kern demokratischer Bildung.
Das Stufenmodell der Partizipation bewusst nutzen
Hilfreich ist das sogenannte Stufenmodell der Partizipation. Es macht deutlich, dass Beteiligung unterschiedlich intensiv sein kann – und nicht immer alles gleich demokratisch organisiert werden muss.
Partizipation reicht von:
- Informieren: Kinder wissen, was passiert.
- Angehört werden: ihre Meinung wird abgefragt.
- Mitentscheiden: Entscheidungen werden gemeinsam getroffen.
- Selbst entscheiden: Kinder und Jugendliche tragen Verantwortung für eigene Projekte.
Wichtig ist nicht, immer die höchste Stufe zu erreichen, sondern bewusst zu reflektieren, auf welcher Stufe sich die Gruppe gerade bewegt – und wo mehr Beteiligung möglich wäre.
Kinderrechte als Grundlage ernst nehmen
Das Recht auf Beteiligung ist ein festgeschriebenes Kinderrecht. Kinder haben das Recht, bei allen sie betreffenden Angelegenheiten gehört zu werden. Für die Jugendarbeit bedeutet das: Entscheidungen über Programme, Regeln oder Strukturen sollten nicht über ihre Köpfe hinweg getroffen werden.
Demokratie leben heißt also auch, Kinderrechte nicht nur zu kennen, sondern sie im Alltag ernst zu nehmen – altersgerecht, transparent und respektvoll.
Mitgestaltung statt Scheinbeteiligung
Demokratie verliert an Glaubwürdigkeit, wenn Beteiligung nur symbolisch ist. Wenn Kinder zwar gefragt werden, am Ende aber doch alles schon feststeht, entsteht Frust. Echte Mitgestaltung heißt, Verantwortung zu teilen – auch wenn das bedeutet, dass Ergebnisse anders aussehen als ursprünglich geplant.
Das kann herausfordernd sein. Gleichzeitig lernen Kinder und Jugendliche genau hier, mit Konsequenzen umzugehen, Kompromisse zu schließen und Verantwortung zu tragen.
Schutz, Struktur und klare Rahmenbedingungen
Demokratie braucht Freiheit – aber auch Struktur. Beteiligung funktioniert nur, wenn sich alle sicher fühlen. Dazu gehören klare Gesprächsregeln, respektvoller Umgang und der Schutz von Minderheitenmeinungen. Nicht die lauteste Stimme darf entscheiden, sondern ein fairer Prozess.
Leitungspersonen behalten dabei eine wichtige Rolle: Sie sorgen für Rahmen, moderieren Prozesse und greifen ein, wenn Beteiligung andere ausschließt oder überfordert.
Fazit: Demokratie wird gelernt, indem man sie erlebt
Demokratie in der Kinder- und Jugendarbeit bedeutet nicht, alles basisdemokratisch abzustimmen. Es bedeutet, Räume zu öffnen, in denen Kinder und Jugendliche mitgestalten, Verantwortung übernehmen und erleben dürfen, dass ihre Meinung zählt.
Wer Demokratie lebt, vermittelt nicht nur politische Bildung, sondern stärkt junge Menschen in ihrer Persönlichkeit. Und diese Erfahrung wirkt weit über die Gruppenstunde hinaus – hinein in Schule, Gesellschaft und späteres Engagement.

