Empathie ist das Herzstück jeder sozialen Beziehung. Kinder, die sich in andere hineinversetzen können, handeln rücksichtsvoller, sind hilfsbereiter und tragen zu einem wertschätzenden Miteinander bei. Doch Einfühlungsvermögen lässt sich nicht „verordnen“ – es muss erlebt, geübt und reflektiert werden. Die Methoden in diesem Kapitel unterstützen Kinder spielerisch dabei, andere Perspektiven einzunehmen, feine Signale wahrzunehmen und Mitgefühl in Handlung zu übersetzen. Es geht darum, nicht nur zu verstehen, wie sich jemand fühlt, sondern auch achtsam darauf zu reagieren. Die Spiele schaffen Gelegenheiten für Begegnung, Vertrauen und gemeinsames Nachdenken – über das, was Menschen verbindet.
Perspektivstuhl
Der Perspektivstuhl ist eine einfache, aber wirkungsvolle Methode, um in die Gedanken- und Gefühlswelt anderer Menschen einzutauchen. In der Mitte des Raumes steht ein besonderer Stuhl – wer sich darauf setzt, versetzt sich in die Lage einer anderen Person: ein Freund, ein Mitschüler, eine bekannte Figur. Die Gruppe stellt Fragen wie: „Wie fühlst du dich gerade?“ oder „Was brauchst du?“ – und die Person auf dem Stuhl antwortet in der Rolle. So erleben die Kinder, wie es ist, durch andere Augen zu sehen. Die Übung stärkt Perspektivwechsel und regt zum bewussten Nachdenken über andere Sichtweisen an.
Gefühlserforscher
Bei den Gefühlserforschern geht es darum, anhand kurzer Aussagen oder Geschichten zu erraten, wie sich eine Person gerade fühlt. Die Spielleitung liest zum Beispiel: „Lina sitzt allein auf dem Pausenhof und schaut auf den Boden.“ Die Kinder überlegen gemeinsam, was Lina empfinden könnte – traurig, nachdenklich, wütend? Anschließend wird darüber gesprochen, was sie wohl gerade brauchen würde. Diese Übung trainiert die Fähigkeit, sich in Situationen hineinzudenken und feinfühlig auf andere zu reagieren – ein zentrales Element von Empathie.
Rollentausch
Der Rollentausch macht Mitgefühl konkret erfahrbar. In kleinen Gruppen spielen die Kinder Alltagssituationen nach – zunächst in ihren gewohnten Rollen, dann im Tausch: Der, der vorher lachte, wird ausgelacht. Wer zuerst Hilfe gab, ist nun derjenige, der Unterstützung braucht. So erleben die Kinder, wie unterschiedlich sich Situationen anfühlen – je nachdem, auf welcher Seite man steht. Im anschließenden Gespräch geht es um Gefühle, Aha-Momente und den Gedanken: „Was hätte ich mir gewünscht, wenn ich in der Rolle geblieben wäre?“ Die Methode fördert tiefes Einfühlen und gegenseitiges Verstehen.
Unsichtbare Last
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Jeder Mensch trägt etwas mit sich herum, das nicht auf den ersten Blick sichtbar ist – Sorgen, Ängste, Gedanken. Bei dieser Übung basteln die Kinder symbolische Rucksäcke oder gestalten Zettel mit „unsichtbaren Lasten“, die man nicht sofort erkennt: ein Streit zu Hause, Angst vor Versagen, Einsamkeit. Diese Lasten werden dann für kurze Zeit getragen oder vorgelesen – ohne, dass Namen genannt werden müssen. Die Gruppe spricht darüber, wie man Rücksicht nehmen kann auf das, was man nicht sieht. Die Übung fördert Mitgefühl und sensibilisiert für das Verborgene im Alltag.
Freundliche Worte
In diesem Spiel entsteht eine Welle der Wertschätzung. Die Kinder sitzen im Kreis und jede*r sagt einer anderen Person etwas Freundliches: ein ehrliches Kompliment, ein Dankeschön, eine kleine Beobachtung („Ich finde gut, dass du oft hilfst“). Danach ist die nächste Person an der Reihe. Die Worte dürfen leise oder laut gesagt werden – je nach Gruppensituation. Die Wirkung ist spürbar: Kinder lächeln, blühen auf, werden gesehen. Im Anschluss wird besprochen, wie es sich anfühlt, Gutes zu hören – und zu sagen. Die Methode stärkt das Selbstwertgefühl und fördert achtsame Sprache.
Emotionsdetektive
Bei den Emotionsdetektiven sind die Kinder auf der Suche nach feinen Gefühlszeichen. In kurzen Szenen oder durch Standbilder stellen sie bestimmte Emotionen dar – ohne Worte. Die anderen beobachten genau: Was sagt die Körperhaltung aus? Wie sieht das Gesicht aus? Welche Stimmung liegt in der Luft? Anschließend raten die Kinder, um welches Gefühl es sich handelt, und beschreiben die Signale, die sie erkannt haben. Die Übung schult den Blick für nonverbale Hinweise – eine wichtige Voraussetzung für einfühlsames Handeln im Alltag.
Wenn ich du wär’…
„Wenn ich du wär’…“ ist eine Methode, bei der Kinder Alltagssituationen gemeinsam umdeuten und neue Lösungen finden. Die Spielleitung beschreibt eine Szene, zum Beispiel: „Jemand wird ausgeschlossen beim Spiel.“ Die Kinder überlegen: Wie fühlt sich das an? Was würde ich mir wünschen, wenn ich in dieser Lage wäre? Was könnte ich tun, um zu helfen? Durch die gemeinsame Suche nach mitfühlenden Handlungen entstehen konkrete Ideen, wie Empathie im Alltag gelebt werden kann. Die Methode verbindet Reflexion mit Handlungskompetenz – und macht Mut, etwas zu verändern.
Hilfe aus dem Hut
Bei dieser Übung ziehen die Kinder kleine Karten oder Zettel aus einem Hut – darauf stehen einfache Möglichkeiten, jemandem zu helfen oder Gutes zu tun: „Jemandem die Tür aufhalten“, „Nachfragen, wenn jemand traurig wirkt“, „Ein Pflaster holen“. Wer eine Karte zieht, überlegt sich eine Situation, in der diese Geste sinnvoll wäre. Gemeinsam wird besprochen, warum solche kleinen Handlungen einen großen Unterschied machen können. Die Methode ermutigt zur spontanen Hilfsbereitschaft und zeigt, dass Mitgefühl oft im Kleinen beginnt.
Herz-Post
Die Herz-Post ist eine stille, berührende Übung. Jedes Kind schreibt oder malt auf eine kleine Karte eine Botschaft für jemanden in der Gruppe: ein lieber Gruß, ein Dank, ein aufmunternder Satz. Die Karten werden anschließend – je nach Wunsch – persönlich übergeben, in einen Briefumschlag gelegt oder heimlich an den Platz der betreffenden Person gelegt. Im Anschluss wird (ohne Namen zu nennen) besprochen, wie sich das Geben und Empfangen angefühlt hat. Diese Methode fördert Achtsamkeit, Mitgefühl und emotionale Verbundenheit innerhalb der Gruppe.
Ich sehe dich!
Diese Übung stärkt die bewusste Wahrnehmung und das Gesehen-Werden. Zwei Kinder setzen oder stellen sich gegenüber. Eine Person beobachtet die andere still für etwa 30 Sekunden und sagt ihr dann drei Dinge, die ihr positiv aufgefallen sind – das kann ein Lächeln, eine Haltung oder eine Ausstrahlung sein. Danach wird gewechselt. Die Kinder erleben, wie intensiv und wertschätzend ein kurzer Moment der Aufmerksamkeit sein kann. Im Gruppengespräch wird deutlich: Empathie beginnt mit dem echten Hinsehen.

