Viele Kinder und Jugendliche erleben sich in Gruppen als eher zurückhaltend oder schüchtern. Darauf weisen Untersuchungen des Deutschen Jugendinstituts hin, die zeigen: Während einige Kinder in der Gruppe lebhaft plaudern und sofort Anschluss finden, bleiben andere lieber still am Rand. Eltern, Lehrende und Gruppenleiter kennen dieses Bild gut. Die Unsicherheit führt oft dazu, dass betroffene Kinder kaum teilhaben. Genau hier braucht es Methoden, die wirklich greifen und ihnen Schritt für Schritt mehr Sicherheit geben.
Positive Erfahrungen als Wendepunkt
Ein schüchternes Kind oder ein unsicherer Jugendlicher braucht vor allem sichere Räume, in denen es sich ausprobieren darf. Schon kleine Erfolgserlebnisse können entscheidend sein. In Gruppenstunden helfen dabei konkrete Methoden: Kinder können durch kleine Miniaufträge Verantwortung übernehmen – etwa indem sie den Ball verteilen, die Stoppuhr bedienen oder die Reihenfolge festlegen. So erleben sie sich als wichtig für die Gruppe, ohne unter Druck zu geraten. Auch Partnerarbeit ist ein guter Einstieg: Zunächst tauschen sich zwei Kinder aus oder lösen eine Aufgabe gemeinsam, bevor sie ihre Ergebnisse im Plenum vorstellen. Das nimmt die Angst vor dem großen Publikum. Ebenso wertvoll sind gezielte „Ich-kann-das“-Momente – kleine, sichere Aufgaben wie ein Bild an die Tafel hängen oder einen Würfel werfen. Solche Erfolgserlebnisse stärken das Selbstvertrauen unmittelbar.
Auch die Struktur von Gesprächen kann helfen: In kurzen Runden mit festen Beiträgen sagt jedes Kind beispielsweise einen Satz wie „Heute freue ich mich auf …“. Ein Redegegenstand, etwa ein Ball, verdeutlicht dabei, wer gerade sprechen darf, und gibt Halt. Wichtig ist zudem, positives Verhalten sofort sichtbar zu würdigen – ein einfaches „Danke, dass du gezählt hast, das hat uns allen geholfen“ wirkt oft mehr als lange Erklärungen.
Darüber hinaus können auch neue Umgebungen einen starken Entwicklungsschub auslösen. Eltern berichten zum Beispiel, dass ihre Kinder durch ein Auslandsjahr in den USA plötzlich selbstständiger wurden, weil sie im Alltag reden, Entscheidungen treffen und Kontakte knüpfen mussten.
Bewegungsspiele öffnen neue Kanäle
Nicht jedes Kind fühlt sich wohl, sofort zu sprechen. Bewegungsspiele bieten hier einen niederschwelligen Einstieg. Sie ermöglichen Teilhabe ohne sofortige Sprachleistung. Besonders Kooperationsspiele eignen sich, weil sie nicht auf Sieg oder Niederlage setzen, sondern auf ein gemeinsames Ziel. Studien wie die der Deutschen Sporthochschule Köln (2020) zeigen, dass solche Spiele Hemmungen abbauen und soziales Miteinander fördern.
Beispiele für Gruppenstunden:
- Blindenparcours: Ein Kind mit verbundenen Augen wird von den anderen sicher geführt.
- Knoten lösen: Alle fassen sich an den Händen und entwirren gemeinsam den menschlichen Knoten.
- Ball über die Schnur: Die Gruppe hält den Ball im Spiel, ohne dass er den Boden berührt.
- Riesenseil springen: Alle versuchen gleichzeitig, in ein großes Seil zu springen.
Neben Bewegung braucht es auch sprachliche Anlässe, die gezielt Schüchternen den Einstieg erleichtern. Statt offene Fragen wie „Wer möchte etwas sagen?“ helfen kleine, klare Impulse:
- Ja-/Nein-Fragen als Einstieg („Hat dir das Spiel Spaß gemacht?“)
- Entscheidungsfragen („Möchtest du nächste Runde den Ball oder das Seil übernehmen?“)
- Rollenfragen („Kannst du kurz für uns zählen?“)
- Runden mit Redegegenstand: Ein Ball oder ein Stock wandert herum, jede*r sagt nur einen Satz.
Diese Impulse strukturieren Gespräche und geben schüchternen Kindern Sicherheit. Wichtig: Nicht drängen, sondern kleine Beiträge würdigen.
Musik und Kreativität als Schutzraum
Musik schafft Zugehörigkeit ohne Leistungsdruck. Ein gemeinsamer Rhythmus oder das Spielen einfacher Instrumente gibt Kindern und Jugendlichen die Chance, ohne Worte sichtbar zu sein. Kreative Aufgaben – Malen, Theaterszenen oder ein gemeinsames Lied – bieten Schutzräume, in denen Fehler nicht negativ bewertet werden.
Die Universität Oldenburg konnte zeigen: Kinder, die regelmäßig an musikalischen Gruppenprojekten teilnehmen, entwickeln mehr Selbstvertrauen im sozialen Kontext. Gerade anfangs zurückhaltende Kinder profitieren vom Zusammenspiel, weil Struktur und Wiederholung Sicherheit schaffen.

