In der heutigen Jugendarbeit ist oft ganz schön was los: Workshops, Freizeitplanung, Gruppenstunden, Konfliktmoderation, Social Media und nebenbei noch ein paar Förderanträge schreiben. Manchmal fühlt es sich an, als müssten wir Superheld*innen sein – immer bereit, immer kreativ, immer empathisch. Dabei verlieren wir leicht aus dem Blick, was junge Menschen wirklich brauchen: echte Zeit, ehrliches Interesse – und Räume, in denen sie einfach sein dürfen.
Und genau hier kommt das Faultier ins Spiel.
Warum ausgerechnet ein Faultier?
Das Faultier ist nicht unbedingt das Tier, das man mit Dynamik, Zielorientierung oder Tatendrang verbindet. Und genau deshalb ist es ein so wertvolles Vorbild. In einer Welt, die von Geschwindigkeit und Selbstoptimierung geprägt ist, lebt das Faultier das Gegenteil: Es bewegt sich langsam, wählt seine Wege bedacht, hängt gerne mal einfach rum – und ist dabei auf seine Art vollkommen im Gleichgewicht.
Was würde passieren, wenn wir mehr Faultier-Energie in die Jugendarbeit bringen würden? Hier kommt das Faultier-Prinzip in fünf Punkten, das vielleicht nicht jedes Problem löst – aber garantiert hilft, neue Perspektiven zu gewinnen.
🐾 Langsam ist auch ein Tempo
In der Jugendarbeit geht es nicht um Effizienz, sondern um Beziehung. Und Beziehungen brauchen – wie das Faultier – Zeit. Junge Menschen entwickeln sich in ihrem eigenen Tempo. Wer sich ständig beeilen muss, um mithalten zu können, hat kaum Raum zum Wachsen.
Wir dürfen lernen, Dinge langsam anzugehen. Eine Gruppe muss sich nicht beim ersten Treffen „finden“. Nicht jedes Projekt muss schnell Ergebnisse bringen. Es ist okay, wenn etwas Zeit braucht – sei es Vertrauen, Veränderung oder auch einfach ein Gespräch. Manchmal liegt die Kraft im Aushalten des Ungeplanten.
Frage an dich: Wann hast du dir das letzte Mal bewusst Zeit genommen, einfach nur zuzuhören – ohne auf die Uhr zu schauen?
🌿 Weniger ist manchmal mehr
Ein prall gefüllter Plan klingt vielleicht nach guter Betreuung – ist aber nicht unbedingt gute Jugendarbeit. Viel wichtiger als Quantität ist Relevanz. Jugendliche merken sehr genau, ob etwas für sie gemacht ist – oder nur, damit „was läuft“.
Das Faultier erinnert uns: Pausen sind nicht faul. Sie sind klug. Reduzieren wir Angebote, schaffen wir Raum für das, was wirklich trägt: Gespräche, Beziehungen, Spontaneität. Es darf auch mal eine Gruppenstunde geben, in der „nichts“ passiert – und genau da entsteht oft das Wertvollste.
Tipp: Plane weniger Programmpunkte und dafür mehr Zeit für Begegnung ein. Vielleicht passiert etwas ganz Neues – oder auch nichts. Beides ist okay.
🌺 Achtsam statt hektisch
Jugendarbeit ist oft von Tempo geprägt: Wer kommt wann? Wer hat welche Bedürfnisse? Was machen wir, wenn Plan A scheitert – und Plan B auch?
Doch Achtsamkeit braucht Langsamkeit. Sie bedeutet, ganz da zu sein. Wirklich hinzuhören, bevor man antwortet. Nicht direkt zu handeln, sondern erst zu verstehen. Nicht nur „reagieren“, sondern präsent sein.
Das Faultier macht nichts überstürzt. Es prüft, bevor es greift. Es denkt – zumindest in unserer romantischen Vorstellung – bevor es handelt. Und diese Haltung ist Gold wert: Wenn wir Jugendlichen achtsam begegnen, statt sie zu „bespielen“, entsteht echte Verbindung.
Übung für den Alltag: Stell dir vor, du wärst ein Faultier. Wie würde dein Tagesablauf aussehen? Was würdest du langsamer tun – und was vielleicht gar nicht mehr?
🌱 Sich Zeit lassen für Beziehungen
Jugendarbeit lebt von Beziehungen – nicht von Programmen. Und Beziehungen entstehen nicht im Vorbeigehen. Es braucht Zeit, Geduld und Vertrauen. Vor allem bei Jugendlichen, die schon viel Misstrauen erlebt haben.
Hier ist das Faultier-Prinzip fast schon revolutionär: Es hängt einfach ab. Es „ist“ – und zwar ganz entspannt. In der Jugendarbeit könnte das bedeuten: Weniger „machen“, mehr „sein“. Nicht gleich coachen, beraten oder animieren – sondern erst mal mit den Jugendlichen sein, ohne etwas von ihnen zu erwarten.
Vertrauen wächst wie ein Baum: langsam, aber mit starken Wurzeln.
Denkimpuls: Welche Beziehung zu einem Jugendlichen hat sich über die Zeit besonders entwickelt? Was war dabei entscheidend – und wie viel davon hatte mit „Programm“ zu tun?
🌞 Mit Leichtigkeit ernst nehmen
Das Faultier wirkt oft wie ein Tier, das das Leben nicht so schwer nimmt. Und genau das kann eine Haltung sein, die auch in der Jugendarbeit gut tut. Ernst nehmen heißt nicht, immer ernst zu sein. Es heißt, Menschen wahr- und anzunehmen – auch mit Humor, Leichtigkeit und einem Augenzwinkern.
Manchmal ist das Lachen in einer Jugendgruppe genauso wichtig wie die ernsten Gespräche. Manchmal ist „chillen im Jugendtreff“ heilsamer als ein Sozialkompetenztraining. Und manchmal darf Jugendarbeit einfach… Spaß machen.
Gedanke zum Mitnehmen: Die Stimmung, die wir ausstrahlen, prägt die Atmosphäre. Wie faultierfreundlich ist deine Ausstrahlung?