Bedingungen für erfolgreiche Partizipation
Wie bereits im ersten Kapitel beschrieben, müssen die erwachsenen Erziehungspersonen gewillt sein, einen Teil der Entscheidungsmacht an die Kinder und Jugendlichen abzugeben, damit es zu einer erfolgreichen Umsetzung einer offenen Kinder- und Jugendarbeit kommen kann. Dabei geht es beispielsweise darum, über das Mittagessen oder einen Nachmittagssnack zu entscheiden.
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Begründung: Nicht nur ihr als erwachsene Personen esst das Essen, sondern auch die Kinder und Jugendlichen und dieser Anteil ist vermutlich eine große Mehrheit. Es geht also nicht darum “wer die Hosen anhat”, sondern wen bestimmte Entscheidungen betreffen und das sind fast immer die Kinder und Jugendlichen. Dazu gehören eben auch die Gestaltung der Angebote und des Programms, die Einrichtung der Räume und die Regeln, die in eurer Einrichtung herrschen. Alltägliche Beispiele, welche die Art der Partizipation veranschaulichen, findet ihr übrigens im letzten Kapitel.
Nun aber wieder zu den Bedingungen, die für eine erfolgreiche Partizipation gegeben sein müssen. Denn ein weiterer wichtiger Aspekt zum Thema ist sicherlich das Empfinden der jungen Menschen. Dazu gehört das Gefühl der Sicherheit und dass sie unterstützt werden. Dadurch gelingt es den Teilnehmer*innen sich als selbstbewusste Expert*innen einzubringen und in einem passenden Rahmen Entscheidungen mit zu treffen.
Die Methoden zum Thema Partizipation von Erwachsenen lassen sich übrigens nicht mit denen der jungen Menschen vereinbaren. Es ist also auch wichtig, dass ihr euch kindgerechte Methoden einfallen lasst, wie ihr das Mitbestimmungsrecht in eurer Einrichtung mit einbringen könnt. Auch dazu findet ihr auf den nächsten Seiten Ansätze und konkrete Ideen und Methoden.
Achtet außerdem auf eine wohlwollende Haltung, also ein Signal der Bereitschaft, dass ihr mit dem Thema Partizipation wohlgesonnen seid. Steht den Kindern und Jugendlichen trotz der Offenheit dennoch bei Fragen mit Rat und Tat zu Seite, schließlich müssen sie mit dem Maß an Verantwortung erst lernen umzugehen. Unterstützt sie bei Unsicherheiten sowie Unklarheiten und achtet außerdem auf eine sichere Struktur, damit sie wissen, wie sie mit Problemen umgehen können und damit nicht alleine sind.
Habt Verständnis dafür, dass die Kinder und Jugendlichen sich in diesem Prozess auch mal verlaufen können und auf Hilfe angewiesen sind. Immerhin sind wir alle mal klein angefangen. Eine große Portion Einfühlungsvermögen wird euch bei diesem Teil der Arbeit helfen.
Oft neigen erwachsene Menschen dazu, die Welt engstirnig zu betrachten. So ist das jedoch nicht bei den jüngsten Generationen. Sie sind noch dabei, die Welt für sich zu entdecken und sich zu entwickeln. Daher solltet ihr in Situationen der Eigeninitiative und Mitbestimmung versuchen, die Leichtigkeit der Kinder mit einem realistischen Auge betrachten. Das trägt ebenfalls zu einer erfolgreichen Umsetzung bei.
Doch auch seitens der Kinder und Jugendlichen benötigt es einiges an Voraussetzungen, damit eine erfolgreiche Zusammenarbeit unter dem Konzept “Mitbestimmung” gelingt.
Zum einen muss die Bereitschaft vorhanden sein, sind an bestehenden Prozessen zu beteiligen. Die Kinder und Jugendlichen müssen also ein Interesse am aktiven Geschehen haben. Nehmen wir das Beispiel des Nachmittagssnacks: Ist ihnen egal, welche Obstsorte angeboten wird, könnt ihr die Teilnehmer*innen zwar motivieren, aber wenn sie so gar kein Interesse an der Mitbestimmung haben, liegt die Entscheidung bei euch. Schließlich geht es hier um eine Freiwillige und keine aufgezwungene Sache. Interessanterweise lässt sich bei jungen Menschen beobachten, dass, je älter sie werden, sie eher ein Interesse an größeren Entscheidungen entwickeln und ihnen kleinere Entscheidungen zunehmend egal werden. Jüngere Kinder sind dahingehend schnell mit zu großen Entscheidungen überfordert, weshalb es so wichtig ist darauf zu achten, dass die Partizipation in kindgerechtem Maße abläuft. Ansonsten entwickeln die Kinder oft eine “chronische Unsicherheit” und es fällt ihnen schwer, Entscheidungen zu treffen. Wenn es also um den beliebten Snack am Nachmittag geht, werdet ihr feststellen, dass sich hierfür eher jüngere Kinder als Jugendliche interessieren werden.
Zum anderen ist aber ein gewisses Maß an Diskussionsfreudigkeit wichtig. Dazu gehört vor allem das Zuhören und auch das miteinander sprechen, um sich und die eigene Meinung mitteilen zu können. Denn um Entscheidungen als Gruppe treffen zu können, muss miteinander gesprochen und gut zugehört werden. Darauf folgt dann möglicherweise auch ein unkonventioneller Weg, weshalb auch hier eine entsprechende Bereitschaft notwendig ist. Die Wege können als mal vom eigenen individuellen Interesse und der Norm abweichen und so können auch ungewöhnliche Entscheidungen getroffen werden.
Je größer und vielfältiger eine Gruppe ist, desto mehr Ansichten, Meinungen und Perspektiven wird es zu besprechen und berücksichtigen geben. Situationen, in denen die Partizipation angewandt wird, gelingen nicht gleich bei den ersten Versuchen. Es handelt sich dabei um einen Prozess, der sich entwickeln und entsprechend gelernt werden muss.
Ihr spielt ebenso wie die Teilnehmer*innen eine ganz wichtige Rolle. Dazu zählt beispielsweise, dass ihr euch untereinander, also unter den Erwachsenen, absprecht und Unklarheiten und Fragen klärt. Geht die Sache gemeinsam an und legt dazu entsprechend einen Rahmen fest, in welcher Art und Weise die Kinder und Jugendlichen mitbestimmen und entscheiden dürfen. Es geht also um die Beteiligungsspielräume, in welcher die jungen Menschen die Möglichkeit bekommen, sich zu entfalten. Ihr müsst dann ein gesundes Maß an Ergebnisoffenheit mitbringen und so eure Wertschätzung symbolisieren. Dabei nehmt ihr nämlich die Teilnehmer*innen ernst und seid bereit, die Entscheidungen der Gruppe zuzulassen.
Ein weiterer Aspekt zur erfolgreichen Umsetzung ist die Orientierung an der Lebenswelt der jungen Menschen eurer Gruppe, also ein Verständnis für die Themen, die sie aktuell bewegen. Dazu müsst ihr euch stetig informieren und aktive Konversationen über diese Dinge mit den Kindern und Jugendlichen führen. Welche Dinge beschäftigen sie und worüber denken sie häufig nach? Habt ihr dann Kenntnisse darüber gewonnen, könnt ihr euch daran orientieren und entsprechend beispielsweise ein dazu passendes Programm ausdenken. Dadurch erfolgt die Mitbestimmung also manchmal auch passiv und indirekt statt aktiv.
Außerdem sollten sich junge Menschen nicht gezwungen fühlen, sich einzubringen. Dies geschieht also stets auf freiwilliger Basis und kann ggf. auch seitens der Teilnehmer*innen abgelehnt werden, beispielsweise wenn sie einen schlechten Tag haben oder sich einfach nicht für das Thema interessieren. Achtet auf zielspezifische Methoden, damit die Kinder sich sowohl gefordert als auch gefördert fühlen und sich ebenso nicht selbst überfordern. Die Frage sollte sich also mit dem Ziel der jungen Menschen beschäftigen.
Macht außerdem deutlich, dass jede Entscheidung auch eine Konsequenz mit sich bringt. Das ist für die Entwicklung sehr wichtig, denn wie bereits beschrieben kann nicht immer alles glatt laufen und ihr solltet sie nicht vor Problemen und Konsequenzen schützen. Sie müssen lernen, eigene Lösungsansätze zu entwickeln und lernen so aus ihren Fehlern. Dadurch gewinnen sie an Reife und Stärke.
Abschließend zu diesem Kapitel gibt es drei grundlegende Punkte, nach denen ihr euch richten könnt, damit euch eine erfolgreiche Umsetzung in der wertvollen Arbeit der Partizipation gelingt.
Haltung:
– ein respektvoller Umgang miteinander
– Verlässlichkeit und die Fähigkeit, Kindern und Jugendlichen etwas zuzutrauen
– zuhören und bei Unklarheiten Fragen stellen
– zurückhaltend agieren, aber Hilfestellung anbieten
Methode:
– Mitbestimmung sollte in einem altersgerechten Rahmen stattfinden
– alle sollten die gleichen Beteiligungschancen bekommen
Struktur:
– orientiert euch an den gesetzlichen Grundlagen der Partizipation in der Kinder- und Jugendarbeit
– schafft eine feste Rahmenbedingung, um den jungen Menschen eine Orientierungshilfe und Sicherheit zu bieten
– arbeitet miteinander, also Hand in Hand -> sucht nach Lösungsansätzen, die im Interesse aller sind.