“Seid Menschen.” Diese beiden Worte waren der letzte Wunsch der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer an die junge Generation. In zahlreichen Gesprächen, Interviews und Begegnungen sprach sie bis ins hohe Alter unermüdlich über ihr Leben, ihre Familie, die Verfolgung und Ermordung durch die Nationalsozialisten und über das, was sie aus dieser Erfahrung ableitete: Menschlichkeit. Margot Friedländer hat nicht einfach “erzählt”, sie hat ermutigt. Ermutigt zum Zuhören, zum Erinnern, zum Mitfühlen – und zum Handeln.
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Das Modul “Seid Menschen” eröffnet Jugendliche und jungen Erwachsene eine intensive Auseinandersetzung mit Friedländers Botschaft. Im Zentrum steht die Frage: Wie kann ich Menschlichkeit heute leben? Die Teilnehmenden werden dazu angeregt, sich mit Vergangenheit und Gegenwart kritisch auseinanderzusetzen, persönliche Haltungen zu reflektieren und Impulse für zivilgesellschaftliches Engagement zu entwickeln.
Zielsetzung des Moduls
Das Modul “Seid Menschen” verfolgt mehrere miteinander verwobene pädagogische Ziele: Die Jugendlichen lernen das Leben und Wirken von Margot Friedländer kennen und setzen sich mit der Bedeutung ihrer Erfahrungen für die heutige Gesellschaft auseinander. Sie entwickeln ein Verständnis für die historische Dimension des Nationalsozialismus und die Auswirkungen von Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung. Die Teilnehmenden erkennen Parallelen zu heutigen Erscheinungsformen von Diskriminierung, Hass und Rechtsextremismus – in digitalen wie realen Räumen. Sie werden gestärkt darin, eigene Standpunkte zu entwickeln, Empathie zu zeigen und im Alltag mutig für andere einzutreten.
Einstieg und Atmosphäre schaffen
Die Gruppe beginnt im Kreis, idealerweise in einer Sitzordnung, die Nähe und Offenheit ermöglicht. Die Teamleiter*innen begrüßen die Teilnehmenden und eröffnen die Runde. Anschließend wird der Name Margot Friedländer genannt. Die Gruppe wird gefragt, ob jemand den Namen schon einmal gehört hat. Die Jugendleiter*innen erklären, dass Margot Friedländer 1921 in Berlin geboren wurde, als Jüdin verfolgt wurde, ihre Familie im Holocaust verlor, sich verstecken musste, überlebte und Jahrzehnte später nach Deutschland zurückkehrte, um zu erzählen. Zum Einstieg wird ein kurzes Audio-Zitat oder Videoclip von Margot Friedländer abgespielt etwa aus einer öffentlichen Rede, in der sie den Satz “Seid Menschen” sagt. Alternativ wird ein Textausschnitt vorgelesen. Die Jugendlichen werden eingeladen, kurz zu sagen, was der Satz “Seid Menschen” für sie spontan bedeutet.
Thematische Arbeit – Margot Friedländers Geschichte
Im nächsten Teil wird die Biografie Margot Friedländers in erzählender Form vorgestellt. Von Margots Kindheit in Berlin sowie vom schrittweisen Ausschluss aus der Gesellschaft und von der Verhaftung ihrer Mutter und ihres Bruders. Von ihrer Zeit im Untergrund, von der Verhaftung durch die Gestapo, vom Überleben im Konzentrationslager Theresienstadt sowie von ihrer Auswanderung in die USA – und der Rückkehr nach Deutschland mit über 80 Jahren. Die Erzählung wird immer wieder mit Fragen zur Reflexion unterbrochen:
– Wie fühlt es sich an, wenn man plötzlich ausgeschlossen wird?
– Was bedeutet es, sich zu verstecken und wer hilft in so einer Situation?
– Welche Entscheidungen treffen Menschen und was bedeutet es, zuzuschauen oder zu handeln?
Die Gruppe wird emotional mitgenommen über den Weg einer einzelnen Frau. Es darf ruhig werden im Raum. Auch Nachdenklichkeit ist ein wichtiges Element dieses Moduls.
Kleingruppenarbeit: Was heißt Mensch sein?
Die Teilnehmenden werden in Kleingruppen eingeteilt (3 bis 4 Personen) und bekommen die Aufgabe, sich mit dem Satz “Seid Menschen” auseinanderzusetzen. Jede Gruppe erhält eine Leitfrage:
– Was heißt es für euch, im Alltag Menschlichkeit zu zeigen?
– Wo wird heute Unmenschlichkeit sichtbar – im Netz, in der Schule, im Alltag?
– Was hätte ich in der Geschichte getan und was tue ich heute?
Die Gruppen sammeln Gedanken auf einem großen Papierbogen oder bereiten ein kurzes Statement vor, das sie in der großen Runde teilen. Ziel ist es, das Zitat aus der Vergangenheit in die Gegenwart zu holen – ganz konkret, ganz persönlich. Die Teamleiter*innen begleiten die Gruppen mit Sensibilität. Niemand muss über persönliche Erfahrungen berichten, aber alle sollen sich eingeladen fühlen, mitzudenken und zu sprechen. Es ist wichtig, Raum für Unsicherheit zu lassen, denn das Thema ist komplex und emotional.
Rückführung in die große Runde und Austausch
Die Gruppen präsentieren ihre Gedanken. Die Teamleiter*innen moderieren den Austausch mit Offenheit und Wertschätzung. Fragen, die vertiefend gestellt werden, sind:
– Habt ihr heute etwas anders gesehen als vorher?
– Wo seht ihr in eurem Umfeld den Bedarf für mehr Menschlichkeit?
– Was bedeutet Verantwortung für euch, auch wenn ihr (noch) nicht politisch aktiv seid?
Die Jugendlichen sollen das Gefühl bekommen, dass ihre Gedanken zählen. Dass sie Teil einer Gesellschaft sind, die sie mitgestalten können. Dass sie handeln dürfen – und manchmal auch müssen.
Aktivierung und Symbolarbeit: Eine Spur hinterlassen
Um das Gesagte auch zu spüren, gestalten alle Teilnehmenden gemeinsam ein sichtbares Zeichen. Jede*r bekommt ein kleines Blatt Papier oder eine Postkarte. Darauf schreibt jede*r eine Antwort auf die Frage: “Was bedeutet es für mich, Mensch zu sein – und was will ich weitergeben?” Diese Karten werden anschließend gesammelt – als “Archiv der Menschlichkeit” – oder in einem vorbereiteten Rahmen aufgehängt. Wenn möglich, entsteht daraus ein kleines Wandbild, das im Raum bleibt oder bei einer nächsten Veranstaltung wieder aufgegriffen werden kann. Wer möchte, darf seinen Satz auch laut vorlesen. Es geht um echte, persönliche Botschaften sowie Versprechen an sich selbst und an die Gemeinschaft.
Abschluss und Ausblick
Zum Schluss wird die Gruppe noch einmal eingeladen, zur Ruhe zu kommen. Die Teamleiter*innen fassen den Weg der Gruppenstunde noch einmal kurz zusammen – vom Hören, über das Nachdenken, bis hin zum eigenen Handeln. Abschließend wird ein weiteres Zitat von Margot Friedländer geteilt, zum Beispiel: “Ihr müsst nicht schuld sein – aber ihr seid verantwortlich.” Die Teilnehmenden nehmen diesen Satz mit als Denkimpuls, als Anker, als Erinnerung.
Material:
– Video-/Audioausschnitt von Margot Friedländer (alternativ Zitat ausdrucken)
– Papier und Stifte für Gruppenarbeit
– große Papierbögen oder Pinnwände
– Karten oder Postkarten für Symbolarbeit
– Klebeband oder Klammern für Wandbild