Kaum beginnt die Gruppenstunde, zückt jemand das Handy. Auf der Freizeit laufen TikTok-Videos in Dauerschleife, und bei Spielen oder Gesprächen wandern die Blicke regelmäßig aufs Display. Für viele Jugendleiter*innen gehört das inzwischen zum Alltag. Doch es bleibt die Frage: Wie gehen wir damit um, wenn das Smartphone ständig dabei ist – und manchmal mehr Aufmerksamkeit bekommt als die Gruppe selbst?
Die Antwort liegt nicht in schnellen Verboten oder ständiger Kontrolle. Entscheidend ist die pädagogische Haltung, mit der wir auf dieses Thema reagieren. Denn Smartphones sind heute fester Bestandteil der Lebenswelt junger Menschen – und das bedeutet, dass sie auch in der Jugendarbeit ihren Platz finden müssen.
Warum das Smartphone so wichtig ist
Für viele Kinder und Jugendliche ist das Smartphone weit mehr als ein technisches Gerät. Es ist Kommunikationsmittel, Fotoalbum, Tagebuch, Musikplayer, Spielfeld und Treffpunkt in einem. Über soziale Medien definieren sie Zugehörigkeit, Anerkennung und Identität. Das Handy ist ihr Zugang zur Welt – und oft auch ihr Schutzraum.
Wenn wir diese Bedeutung verstehen, verändert sich der Blick:
Ein Kind, das während der Freizeit ständig am Handy ist, will vielleicht nicht einfach nur „nicht mitmachen“, sondern sucht Sicherheit, Ablenkung oder soziale Verbindung.
Jugendarbeit, die Kinder ernst nimmt, darf also nicht nur auf das Verhalten reagieren, sondern auch auf die Bedürfnisse dahinter.
Warum Verbote selten helfen
Viele Teams reagieren reflexartig mit einem „Handyverbot“. Das ist verständlich – schließlich soll Gemeinschaft entstehen, nicht Vereinzelung. Doch Verbote führen meist nur dazu, dass Kinder und Jugendliche ihre Geräte heimlich benutzen oder sich innerlich abwenden.
Ein pauschales Verbot löst das Problem nicht, es verschiebt es nur. Viel wirksamer ist es, gemeinsam Regeln zu entwickeln, die allen gerecht werden. Dabei geht es nicht darum, die Nutzung vollständig zu unterbinden, sondern sie bewusst zu gestalten. Fragen, die das Team gemeinsam mit der Gruppe klären kann:
- Wann ist Handynutzung in Ordnung – und wann nicht?
- Wie gehen wir mit Fotos und Datenschutz um?
- Welche Handyzeiten oder -zonen wünschen wir uns?
Kinder und Jugendliche, die an diesen Entscheidungen beteiligt sind, verstehen die Hintergründe besser und übernehmen Verantwortung.
Medienkompetenz fördern statt Kontrolle ausüben
Jugendarbeit hat die Aufgabe, junge Menschen zu befähigen, mit Medien reflektiert umzugehen. Das bedeutet, sie nicht nur auf Gefahren hinzuweisen, sondern ihnen zu zeigen, wie sie Medien sinnvoll, kreativ und verantwortungsvoll nutzen können.
Dazu gehören Gespräche über:
- den Einfluss von Likes und Followern auf das Selbstwertgefühl,
- die Bedeutung von Datenschutz und Privatsphäre,
- den Unterschied zwischen digitalen und echten Begegnungen,
- und die Frage: Wie fühle ich mich, wenn ich mal offline bin?
Diese Themen müssen nicht in langen Workshops behandelt werden. Oft reicht schon ein Gespräch im Kreis, ein Spiel oder ein kurzer Reflexionsmoment: Wie war das für euch, als wir gestern Abend alle Handys abgegeben haben?
So werden Kinder und Jugendliche angeregt, ihr Verhalten selbst zu überdenken – ohne dass es belehrend wirkt.
Das Smartphone kreativ einbinden
Anstatt Smartphones nur als Störfaktor zu betrachten, kann man sie gezielt als Werkzeug für Beteiligung und Kreativität einsetzen. Wenn Jugendliche das Handy als Teil des Programms nutzen dürfen, verändert sich die Dynamik – das Gerät wird zum Lernmedium.
Mögliche Ideen:
- Foto- oder Filmprojekte: Kinder dokumentieren ihren Tag, drehen Mini-Dokus oder Stop-Motion-Videos.
- Digitale Rallyes: Mit Apps wie Actionbound wird das Smartphone zur Entdeckungstour.
- Musik und Sound: Jugendliche erstellen Playlists oder gestalten Klangcollagen zu Gruppenerlebnissen.
- Quiz-Apps und Umfragen: Digitale Tools können Wissen abfragen und Diskussionen anregen.
So wird das Handy nicht zum Fremdkörper, sondern zum Teil einer aktiven, mitgestalteten Jugendarbeit.
Überforderung erkennen – Balance finden
Hinter dem ständigen Griff zum Handy steckt manchmal auch Überforderung oder Stress. Gerade auf Freizeiten, wo vieles neu ist, bietet das Smartphone ein Stück Kontrolle und Rückzug. In solchen Fällen geht es nicht darum, das Verhalten zu verbieten, sondern Alternativen zu schaffen: Orte, an denen man einfach mal nichts tun muss. Momente der Ruhe. Menschen, die zuhören.
Gleichzeitig kann das Team auch die eigene Haltung reflektieren: Wie oft nutzen wir selbst unser Handy während der Gruppenarbeit? Wie präsent sind wir wirklich?
Jugendliche merken schnell, ob Erwachsene das leben, was sie predigen.
Haltung statt Kontrolle
Der Umgang mit Smartphones ist letztlich keine technische, sondern eine pädagogische Frage.
Verbote schaffen kurzfristige Ruhe, aber keine Veränderung. Haltung dagegen schafft Orientierung.
Eine Haltung, die sagt: „Ich möchte verstehen, warum du dein Handy brauchst.“ oder „Ich will mit dir gemeinsam herausfinden, wie du es gut nutzen kannst.“
Diese Offenheit ermöglicht Beziehung – und genau das ist der Kern von Jugendarbeit.

