Trend-Kolumne 12/2025: Was bewegt Kinder und Jugendliche?

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Kinder und Jugendliche bewegen sich in digitalen Welten, die sich schneller verändern, als viele Erwachsene sie überhaupt überblicken können. Trends, Tools und Codes entstehen, verschwinden, tauchen an anderer Stelle wieder auf – und prägen dabei ganz selbstverständlich ihren Alltag. Diese Kolumne holt euch genau dort ab: mit frischen Einblicken in aktuelle Entwicklungen, die für eure Gruppenstunden, Freizeiten und die Arbeit mit jungen Menschen heute relevant sind.

KI-Alltag bei Jugendlichen – Standard-Werkzeug statt Zukunftsvision

Die aktuelle JIM‑Studie 2025 zeigt: Bei Jugendlichen im Alter von 12 bis 19 Jahren wird künstliche Intelligenz (KI) mittlerweile ganz selbstverständlich eingesetzt. Ganze 91 Prozent nutzen mindestens ein KI-Tool – ein Anstieg um 29 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. Besonders verbreitet ist die Nutzung bei den Älteren (16–19 Jahre: 90 %) im Vergleich zu den Jüngeren (12–15 Jahre: 78 %). (Meedia) Die Studie zeigt auch, dass 69 % der Jugendlichen KI mindestens einmal pro Woche verwenden. Im schulischen Umfeld setzen bereits 63 % der älteren Jugendlichen KI ein, bei den Jüngeren sind es 39 %. Gleichzeitig bleibt KI ein Unterhaltungsinstrument: Bei den Jüngeren nutzen 50 % sie zum Vergnügen, bei den Älteren 44 %.

Ein zentraler Befund: 70 % der Jugendlichen nutzen KI vor allem zur Informationsbeschaffung – damit liegt KI-gestützte Recherche fast gleichauf mit etablierten Suchmaschinen und überholt klassische Webseiten oder Social Media als erste Anlaufstelle. Trotz großer Nutzung halten 57 % die Angaben der Tools für vertrauenswürdig – zugleich sind Risiken wie Halluzinationen oder Falschinformationen bekannt. Mädchen äußern stärker Sorgen (44 %) als Jungen, für die KI eher Problemlöser ist.
Auch problematische Online-Erfahrungen bleiben relevant: 67 % der Jugendlichen sind in den letzten vier Wochen auf Fake News gestoßen, 47 % mit Hassbotschaften – nur 17 % blieben völlig verschont.

Ableitungen für die Jugendarbeit

Für die Jugendarbeit bedeutet das: Künstliche Intelligenz ist kein exotisches Extra mehr, sondern Teil der Lebenswelt der Jugendlichen. Jugendleiter*innen sollten KI-Tools nicht verteufeln, sondern sie kompetent einbinden – z. B. als Recherche-Hilfsmittel in Aktionen oder als Reflexionsanlass zur digitalen Arbeits- und Lebenswelt. Gleichzeitig ist das Thema Medien- und Informationskompetenz zentral: Es gilt, gemeinsam mit Teilnehmenden zu erleben, wie man KI-Antworten hinterfragt, Falschinformationen erkennt und auch darüber spricht, wie sich Nutzungsmuster zwischen jüngeren und älteren Jugendlichen unterscheiden. Vielfalt und Beteiligung bleiben wichtig: Verschiedene Altersgruppen, digitale Zugänge und Vorerfahrungen sollten bedacht werden, damit niemand ausgegrenzt wird – und damit die Nutzung von KI auch Chancen für kreative, nachhaltige und partizipative Gruppenarbeit eröffnet wird.

Jugendliche mit Behinderung im Fokus von Mobbing

Eine aktuelle, repräsentative Befragung der Aktion Mensch zeigt: Fast jede*r zweite Jugendliche in Deutschland hat bereits Mobbing erlebt – doch die meisten schweigen darüber. (News4teachers) Besonders alarmierend ist das Ergebnis für Jugendliche mit Behinderung: Während bei Gleichaltrigen ohne Behinderung etwa 46 % von Mobbing berichten, sind es bei Jugendlichen mit Behinderung rund 75 %. Die meisten dieser Fälle spielen sich in der Schule ab (91 %). Die Formen reichen von verbalen Angriffen über soziale Ausgrenzung bis zu körperlicher Gewalt. Als Gründe für das Schweigen nennen Betroffene Angst, Scham und Hoffnungslosigkeit. Zusätzlich eröffnet die Studie ein Blick auf Diskriminierungserfahrungen: Sechs von zehn Menschen mit Behinderung berichten von Diskriminierung in öffentlichen Räumen, im Arbeitsleben oder Gesundheitssystem.

Ableitungen für die Jugendarbeit

Für die Jugendarbeit heißt das: Ihr arbeitet mit einer Zielgruppe, in der das Thema Mobbing und Ausgrenzung – insbesondere für Jugendliche mit Behinderung – sehr präsent ist. Es reicht nicht aus, „nur“ allgemeine Anti-Mobbing-Aktionen durchzuführen: Es braucht explizit inklusive Settings, in denen die Teilnehmenden mit Behinderung ebenso sichtbar und gleichwertig eingebunden sind. Wichtig ist, Räume zu schaffen, in denen über Ausgrenzung gesprochen werden darf – Themen wie „Wie fühle ich mich, wenn ich anders wahrgenommen werde?“ könnten Teil einer Gruppenstunde sein. Gleichzeitig lohnt es, digitale und analoge Beratungsangebote vorzustellen (z. B. anonym erreichbar), wie sie auch Aktion Mensch nennt. Und: Förderung von Empowerment, indem Jugendliche mit Behinderung nicht nur Zielgruppe, sondern aktive Mitgestaltende werden – etwa bei Workshops oder Kampagnen. Dadurch stärken wir Vielfalt, Teilhabe und nachhaltiges Miteinander in unseren Gruppenstunden und Ferienlagern.

Wie junge Männer in sozialen Medien angesprochen werden

Die Initiative MYKE untersuchte drei Monate lang maskulinistische Content-Bubbles auf TikTok und entwickelte einen künstlerischen Ansatz, um Radikalisierungsprozessen und Gewaltspiralen entgegenzuwirken. (myke.fyi) Im Zentrum steht die Frage, wie solche Inhalte entstehen, wie sie wirken und wie sie durch kreative Interventionen aufgegriffen werden können – das Projekt stellt sein gesamtes Wissen offen („Open Source“) zur Verfügung. Damit zeigt MYKE: Es geht nicht primär um verbieten oder isolieren, sondern um Verstehen, Begleitung und Gestaltung. Für Jugendliche bedeutet das: Themen wie Männlichkeitsbilder, Social-Media-Dynamiken und Radikalisierung sind Teil ihrer Lebenswelt – und können dort auch reflektiert und bearbeitet werden. Mehr dazu auch hier im Podcast.

Ableitungen für die Jugendarbeit

Jugendleiter*innen sollten diese Inhalte als Einladung verstehen: Jugendliche in ihrer digitalen Real-Life-Wirklichkeit abholen, statt sie davon zu trennen. Es empfiehlt sich, Gesprächsrunden und -anlässe zu initiieren, in denen Themen wie „Was heißt eigentlich Männlichkeit in Social Media?“, „Welche Inhalte ziehe ich mir an?“ oder „Wann wird eine Bewegung extrem?“ offen besprochen werden. Kreative Methoden (z. B. Video, Performance, digitales Storytelling) passen gut zum Ansatz von MYKE und bringen Teilhabe- und Gestaltungsräume. Wichtig ist: Haltung zeigen gegen Ausgrenzung, zugleich Verständnis für die Lebenswelt aufbringen – so kann Jugendarbeit zur Prävention beitragen, ohne Jugendliche zu stigmatisieren.

Trend mit Gefahr: Lachgas

In einer neuen Meldung der Kindernachrichten von logo! wird hervorgehoben, dass Lachgas zunehmend als kurzlebige Rauschdroge bei Jugendlichen genutzt wird – trotz großer gesundheitlicher Risiken. (logo!) Ursprünglich in kleinen Metallkapseln für das Aufschäumen von Sahne gedacht, wird es nun missbräuchlich eingeatmet, um ein kurzfristiges Glücks- oder Hochgefühl zu erzeugen. Dabei verdrängt das Gas Sauerstoff in der Lunge, sodass das Gehirn gefährlich unterversorgt werden kann – was im wiederholten Gebrauch sogar zu Nervenschäden führen kann, etwa einer verminderten Beweglichkeit der Finger. Ein weiteres Risiko besteht darin, dass die extrem kalte Gasexpansion beim Austritt aus der Kapsel Haut und Lippen „festfrieren“ kann. Angesichts dieser Gefahren hat der Deutscher Bundestag ein Gesetz verabschiedet, wonach Kinder und Jugendliche künftig weder kaufen noch besitzen dürfen.

Ableitungen für die Jugendarbeit

Jugendleiter*innen sollten dieses Thema aktiv in Gruppenstunden und Ferien­lagern aufgreifen – nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern offen und gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen reflektierend. Es geht darum, den Reiz des „Probierens“ zu verstehen und die ernsten Folgen transparent zu machen. Gruppenstunden könnten etwa eine kurze Info-Einheit oder Impulsdiskussion enthalten: Was reizt daran? Welche Risiken gibt’s? Zudem empfiehlt sich eine wertschätzende und partizipative Haltung: Jugendliche dazu einladen, eigene Einschätzungen zu teilen und gemeinschaftlich Regeln oder Alternativen zu entwickeln (z. B. wie man gemeinsam feiern kann, ohne Rauschmittel). Wichtig ist, dieses Thema nachhaltig im Blick zu behalten – weil Veränderungen im Freizeit- und Konsumverhalten der Kinder und Jugendlichen Teil ihrer Lebenswelt sind und Jugendarbeit Raum bieten sollte, damit sie diese mitgestalten und reflektieren können.

Das steckt hinter dem „6-7“-Meme

In der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen sorgt der Ausdruck „6-7“ (bzw. „six, seven“) derzeit für Aufmerksamkeit. Er entstand durch den Song „Doot Doot“ des Rappers Skrilla, in dem dieser die Zahlen „six, seven“ verwendet – eine Anspielung auf die 67th Street in seiner Heimatstadt. (Kurier) Seitdem wird „6-7“ als Meme auf Plattformen wie TikTok genutzt – teilweise einfach nur zur witzigen Reaktion, ohne tieferen Sinn. Das Ausdruck wurde sogar vom Online-Wörterbuch Dictionary.com in Österreich zum Wort des Jahres 2025 gewählt – als Symbol für die sprachliche Dynamik im digitalen Zeitalter, bei der Klang, Gruppendynamik und Ironie eine größere Rolle spielen als klassische Definitionen.

Ableitungen für die Jugendarbeit

Für Jugendleiter*innen ist es sinnvoll, solche sprachlichen Phänomene nicht nur zu registrieren, sondern zu verstehen: „6-7“ ist ein Ausdruck von Gruppenzugehörigkeit, Humor und digitaler Teilhabe. Im Rahmen von Gruppenstunden oder Ferienlagern kann es genutzt werden, um mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Wichtig: Nicht nur belächeln oder verurteilen – denn Sprache verändert sich und Teilhabe an digitalen Codes ist für Kinder und Jugendliche ein Stück Alltagskultur.

Gleichzeitig könnt ihr sensibilisieren dafür, dass solche Ausdrücke oft sehr kurzfristig sind und von außen manchmal wenig verstanden werden. Indem ihr Raum schafft für Reflexion („Warum macht ihr das? Wie fühlt sich das an, wenn Erwachsene es verwenden?“), fördert ihr ein bewusstes Spiegeln von Gruppendynamiken, Spaß an Sprache und Kreativität, gleichzeitig stärkt ihr Teilhabe und Anerkennung der jugendlichen Lebenswelt.

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Autor*in

Daniel
Daniel
Hallo, schön, dass du hier vorbeischaust. Ich bin der Kopf hinter dem Jugendleiter-Blog und bin seit über 10 Jahren in der Jugendarbeit aktiv, habe viele Jahre einen Verband geleitet und blogge hier über meine Erfahrungen aus mehr als 100 Freizeittagen und 200 Gruppenstunden. Meine besten Spiele und Ideen sind als Bücher erschienen.

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