Der Mai ist weltweit dem Thema mentale Gesundheit gewidmet. Als Mental Health Awareness Monat bietet er die Gelegenheit, psychisches Wohlbefinden ins Zentrum zu stellen – auch und besonders in der Jugendarbeit. Jugendliche erleben heute enorme Belastungen: Leistungsdruck in der Schule, ständige Vergleiche über soziale Medien, familiäre Spannungen oder der Druck, eine klare Identität zu entwickeln. All das wirkt sich auf ihre seelische Gesundheit aus. Studien zeigen, dass fast jede*r fünfte Jugendliche Anzeichen einer psychischen Erkrankung zeigt. Und doch ist das Thema noch immer mit vielen Unsicherheiten und Tabus behaftet.
Jugendarbeit kann hier einen entscheidenden Unterschied machen. Denn Jugendleiter*innen sind oft Vertrauenspersonen, die Jugendlichen auf Augenhöhe begegnen. Sie haben die Chance, sichere Räume zu schaffen, Gespräche zu ermöglichen und präventiv zu wirken – ohne therapeutisch tätig sein zu müssen.
Was ist eigentlich mentale Gesundheit?
Mentale Gesundheit bedeutet mehr als die Abwesenheit von psychischen Erkrankungen. Sie beschreibt den Zustand des inneren Gleichgewichts – das emotionale, psychische und soziale Wohlbefinden eines Menschen. Wer mental gesund ist, kann mit Herausforderungen umgehen, Beziehungen gestalten und sein Leben als sinnvoll erleben. Mentale Gesundheit ist ein Spektrum, auf dem wir uns alle bewegen. Auch gesunde Kinder und Jugendliche haben schlechte Tage oder Phasen der Überforderung – das gehört zum Leben.
Warum sind Jugendliche besonders gefährdet?
Die Jugendzeit ist eine Phase voller Veränderungen. Der Körper entwickelt sich, Rollen und Identitäten werden ausprobiert, und gesellschaftliche Erwartungen treffen auf innere Unsicherheiten. Soziale Medien verschärfen oft den Druck, perfekt sein zu müssen oder ständig erreichbar und sichtbar zu sein. Gleichzeitig erleben viele Jugendliche Zukunftsängste, schulischen Stress oder Konflikte im Elternhaus. Diese Belastungen können zu psychischen Krisen führen, besonders wenn kein Raum da ist, um offen darüber zu sprechen.
Die Rolle der Jugendleiter*innen
In der Jugendarbeit können Kinder und Jugendliche Gemeinschaft erleben, sich ausprobieren und Vertrauen aufbauen. Jugendleiter*innen begleiten junge Menschen oft über Jahre hinweg, sehen ihre Entwicklung und sind nah dran, wenn etwas aus dem Gleichgewicht gerät.
Du kannst kein*e Therapeut*in sein – aber du kannst eine Brücke zur Hilfe sein. Indem du offen über Gefühle sprichst und so Vorbild bist, Warnzeichen erkennst und Kinder und Jugendliche ernst nimmst, kannst du bereits viel bewirken.
Den Mai aktiv gestalten – was kannst du tun?
Der Mental Health Awareness Monat bietet dir eine wunderbare Gelegenheit, das Thema in den Gruppenalltag zu integrieren. Du könntest zum Beispiel eine Gruppenstunde unter das Motto „Wie geht es dir?“ stellen. Über kreative Methoden wie Stimmungsbarometer, Rollenspiele oder stille Schreibübungen können Jugendliche sich mitteilen – ohne sich bloßzustellen. Auch kleine Achtsamkeitsübungen, etwa eine stille Minute oder eine Fantasiereise, können guttun und ein neues Körpergefühl vermitteln.
Gruppenstunden-Modul: Wie geht es dir? (für Kindergruppen)
Gruppenstunden-Modul: Wie geht es dir? (für Jugendgruppen)
Besonders eindrücklich sind kreative Projekte: Eine „Mut-Mut-Mauer“, auf der alle notieren, was ihnen Kraft gibt. Ein gemeinsames Kunstwerk zum Thema „Ich bleibe stark“. Oder ein Fotoprojekt mit dem Titel „So sieht mentale Gesundheit für mich aus“. Solche Aktionen machen das Unsichtbare sichtbar und schaffen Verbindung.
Du kannst auch externe Unterstützung einladen – etwa eine*n Psycholog*in, die oder der in lockerer Atmosphäre Fragen beantwortet. Ergänzend ist es sinnvoll, über Hilfsangebote zu informieren – anonym, kostenlos und jederzeit erreichbar. Jugendnotmail oder die Nummer gegen Kummer sind erste Anlaufstellen, die viele Jugendliche noch nicht kennen.
Warnzeichen erkennen und richtig reagieren
Wenn Kinder und Jugendliche sich zurückziehen, häufig müde oder gereizt sind, negativ über sich sprechen oder plötzlich Leistungseinbrüche zeigen, kann das auf seelische Belastung hinweisen. Auch Andeutungen wie „Ich bin allen nur im Weg“ oder „Es wäre besser, wenn ich nicht mehr da wäre“ sollten dich aufmerksam machen. In solchen Fällen ist es wichtig, ruhig und offen das Gespräch zu suchen. Frage nach, ohne zu drängen. Zeige, dass du da bist – und dass Hilfe möglich ist.
Wenn du den Eindruck hast, dass eine akute Gefahr besteht – etwa bei Suizidgedanken –, dann musst du handeln, auch gegen den Wunsch der betroffenen Person. Das kann bedeuten, Eltern zu informieren oder professionelle Hilfe zu holen. In solchen Momenten gilt: Vertraulichkeit endet, wo Gefahr beginnt.
Auch du brauchst Pausen – Selbstfürsorge in der Jugendarbeit
Als Jugendleiter*in gibst du viel – aber du bist nicht unendlich belastbar. Wer anderen hilft, muss auch auf sich selbst achten. Gönne dir Pausen, sprich im Team über belastende Situationen und nimm deine eigenen Gefühle ernst. Es ist keine Schwäche, Hilfe zu brauchen – es ist ein Zeichen von Stärke und Verantwortungsbewusstsein. Supervision oder kollegiale Beratung können dich dabei unterstützen, langfristig gesund und engagiert zu bleiben.
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Ein Fazit für das ganze Jahr
Der Mai mag der offizielle Monat für Mental Health Awareness sein – doch psychisches Wohlbefinden ist das ganze Jahr über wichtig. Jugendliche brauchen Vorbilder, die Gefühle nicht verdrängen, sondern benennen. Sie brauchen Räume, in denen nicht immer Leistung, sondern auch Verletzlichkeit Platz hat. Und sie brauchen Menschen, die zuhören, ohne zu urteilen.
Als Jugendleiter*in kannst du genau so ein Mensch sein. Nicht, weil du alles weißt oder perfekt bist – sondern weil du präsent bist, zuhörst und Haltung zeigst. Du bist wichtig. Nicht nur im Mai.
Checkliste: Mentale Gesundheit in der Jugendarbeit stärken
Diese Punkte helfen dir, das Thema sensibel und wirkungsvoll aufzugreifen:
- Spreche offen über mentale Gesundheit. Nutze deine Vorbildfunktion, um zu zeigen, dass es okay ist, nicht immer okay zu sein.
- Schaffe sichere Räume für ehrlichen Austausch. Stelle klare Gesprächsregeln auf, achte auf Vertraulichkeit und Wertschätzung.
- Nutze kreative Methoden, um Gefühle und Gedanken sichtbar zu machen – z. B. durch Kunst, Schreiben, Spiele oder Gespräche in Kleingruppen.
- Integriere Achtsamkeit und Selbstfürsorge spielerisch in den Gruppenalltag – etwa durch Pausen, Atemübungen oder Handy-freie Zonen.
- Sei aufmerksam für Warnsignale wie Rückzug, extreme Stimmungsschwankungen oder Hilferufe – nimm sie ernst.
- Traue dich, behutsam nachzufragen. „Wie geht es dir wirklich?“ kann ein Türöffner sein.
- Hol dir Unterstützung, wenn du unsicher bist. Sprich mit Kolleg*innen oder Fachkräften – du musst nicht alles allein tragen.
- Informiere über Hilfsangebote und stelle Kontakte anonym und niedrigschwellig zur Verfügung (z. B. Zettel im Gruppenraum).
- Achte auch auf dich selbst. Nur wer für sich sorgt, kann langfristig für andere da sein.
- Behalte das Thema im Blick – auch nach dem Mai. Mentale Gesundheit verdient ganzjährig Raum und Aufmerksamkeit.