Fantasiereise für Jugendliche: Die Schattenfeste (Angst und Mut)

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Du fällst. Nicht schnell. Nicht panisch. Eher wie Schweben. Durch Dunkelheit, die sich nicht bedrohlich anfühlt, sondern ruhig. Fast wie eine Umarmung der Nacht. Und dann landest du. Auf festem Boden. Um dich herum ist ein Nebel, der leise flüstert. Nicht in Worten, sondern in Gefühlen.

Du bist allein. Doch du weißt: Du bist nicht zufällig hier.

Vor dir erhebt sich eine riesige Festung. Gebaut aus schwarzen Steinen, die das Licht zu verschlucken scheinen. Hohe Türme, gewundene Gänge, Fenster ohne Glas. Über dem Tor steht:

“Dies ist der Ort deiner Ängste. Wer ihn betritt, kann ihn verändern.”

Du zögerst. Jeder Schritt fühlt sich schwer an. Doch dann öffnet sich das Tor wie von selbst. Und du trittst ein.

Die erste Halle ist leer. Nur in der Mitte steht ein Spiegel aus Rauch. Doch du siehst kein Bild, nur ein Gefühl. Die Angst, nicht gut genug zu sein. Sie liegt da wie ein Schatten auf deiner Brust. Eine Stimme erklingt, warm, aber ehrlich:

“Diese Angst flüstert dir zu, du seist nicht stark. Aber Mut heißt nicht, keine Angst zu haben. Mut heißt, ihr in die Augen zu sehen.”

Du sprichst laut: “Ich habe Angst.” Und der Nebel beginnt sich zu lichten. Nicht zu verschwinden, aber er wird durchlässig.

Im nächsten Raum erscheint eine Szene, die du kennst. Du stehst vor einer Gruppe Menschen. Alle Augen sind auf dich gerichtet. Du sollst reden, doch deine Stimme versagt. Die Erinnerung schmerzt. Du willst weg. Doch plötzlich steht jemand neben dir. Ein Schatten deiner selbst, jünger vielleicht, ängstlicher. Es flüstert: “Lauf einfach. Es wird niemand merken.”

Aber du bleibst stehen.

“Ich bin mehr als dieser Moment”, sagst du. Du atmest tief ein, hebst die Schultern und plötzlich hörst du dich sprechen. Klar. Deutlich. Nicht perfekt. Aber ehrlich. Die Szene zerfällt in goldenes Licht.

Du gehst weiter. Jeder Raum ist anders. In einem regnet es Worte, verletzende, die du gehört hast. In einem anderen schreit ein Echo von innen: “Du wirst nie genügen.”

Doch mit jedem Raum, den du durchquerst, wächst etwas in dir. Kein Schild. Kein Panzer. Sondern Klarheit. Du beginnst zu begreifen: Mut ist nicht laut. Mut ist leise. Er sitzt in dir wie ein kleiner Funke, der nie ganz ausgeht, egal wie sehr der Wind bläst.

Dann erreichst du den letzten Raum. Dunkel. Still. Nichts ist zu sehen außer einer Tür am Ende. Als du sie öffnen willst, verschließt sie sich. Eine Inschrift leuchtet auf:

“Nur wer seinen tiefsten Schatten nennt, darf hinaus.”

Du zögerst. In dir brodelt eine Antwort. Du weißt, was du sagen musst, aber es kostet alles. Und dann, mit klopfendem Herzen, flüsterst du:

“Ich habe Angst, nicht genug zu sein. Nicht geliebt zu werden, wenn ich mich zeige, wie ich wirklich bin.”

Ein Wind erhebt sich. Kein Sturm, eher wie der Atem der Wahrheit. Die Tür öffnet sich.

Draußen ist Licht. Nicht grell, sondern weich. Du trittst hinaus und stehst auf einem Hügel. Die Schattenfestung liegt hinter dir, kleiner als gedacht. Du blickst zurück, nicht mit Angst, sondern mit Achtung.

Und da ist jemand, nicht außen, sondern in dir. Der Teil von dir, der geblieben ist. Der nicht weggelaufen ist. Der Mut hatte, zu fühlen.

Als du aufwachst, ist es früh. Draußen dämmert es. Alles ist still. Und du auch. Nicht leer, sondern erfüllt.

Vielleicht steht heute etwas bevor, das dir Angst macht. Vielleicht musst du dich zeigen, dich entscheiden, dich wehren. Du wirst es tun, nicht, weil du keine Angst hast. Sondern weil du gelernt hast, dass Mut bedeutet, trotz allem weiterzugehen.

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Daniel
Daniel
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