Aktuelle Buch-Tipps für Jugendleiter*innen

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Regelmäßig lese ich Bücher, die aktuelle Themen aus der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen aufgreifen. Diese Buch-Tipps möchte ich mit euch teilen:

Und jetzt du.: Rassismuskritisch leben

Rassismus findet statt – in der Schule, in Medien, am Spielplatz und auf Arbeit. Unsere Gesellschaft ist rassistisch und wir weiße Menschen merken das meist nicht. Schwarze Menschen erleben es aber bewusst täglich in Form von Sprüchen, Kommentaren, Ausgrenzung und Mikroaggressionen. Was tun?

Tupoka Odette gibt in ihrem neuen Buch “Und jetzt du.*” einen Überblick über die Geschichte unserer Gesellschaft und Blick in verschiedene Lebensbereiche. Sie sensibilisiert für die Entstehung von rassistischen Verhalten und gibt Hinweise, wie wir alle bewusster Rassismus wahrnehmen und ihm entgegentreten können.

Es ist keine Overall-Lösung, die sie präsentiert, und wir werden nach dem Lesen nicht frei sein von rassistischen Denkmustern und Handlungen, aber wir haben die Chance, zu lernen und uns aktiv gegen Ausgrenzung, Verurteilung und Diskriminierung einzusetzen.

Das Buch zeigt Ansätze, ordnet sein, präsentiert ‘zu einfach gedachte’ Lösungen und rüttelt auf. Ihr authentischer Stil nimmt uns Leser*innen mit durch ihre Sozialisierung, ihre Erfahrungen und ist ein deutlicher Appell an uns alle, aktiv zu werden, um so nach und nach Rassismus zu benennen und zu verbannen. Eine Aufgabe, der sich alle stellen müssen, die aber lange brauchen wird, um wirklich etwas zu bewegen.

Lesenswert und für alle, die rassismuskritisch arbeiten wollen, eine neue Pflicht-Lektüre.

“Wenn nicht ich, wer dann? Große Reden großer Frauen”

Reden, die Veränderungen bewirkt haben, Revolutionen ausgelöst haben oder einfach beispielhaft für eine Generation oder Epoche stehen – und alle Reden aus der Feder von Frauen. Das bündelt das Buch “Wenn nicht ich, wer dann? Große Reden großer Frauen”*, zusammengestellt und kommentiert von Anna Russell. Neben starken Illustrationen, gespickt mit starken Zitaten können wir als Leser*innen nicht nur die bedeutendsten Auszüge aus den Reden lesen, sondern auch viel über das Wirken und die Entstehung der Reden erfahren. Mehr als 50 Frauen werden so portraitiert – und ich muss zugeben, viele von ihnen kannte ich nicht. Ein Sinnbild für den patriarchalen Blick auf unsere Geschichte und Geschichtsschreibung.

Für Jugendgruppen eine gute Lektüre, um über Rollenbilder, Geschlecht und Geschichte ins Gespräch zu kommen.

Märchenland für alle

Vielleicht haben einige von euch vor einigen Wochen im “ZDF Magazin Royale“ den Beitrag zu Ungarn und dem Umgang mit diesem Buch gesehen. Ein Kinderbuch, das nicht mehr öffentlich in Buchhandlungen stehen soll, weil es einen schwulen Prinzen und andere Tiere mit diversen Hintergründen zeigt. Ooookay… Was ist da denn los? Das Buch “Märchenland für alle*” hatte ich schon vor dem Video von Jan Böhmermann auf dem Schreibtisch und habe es Märchen für Märchen gelesen. Worum geht es? Ungarische Autor*innen haben neue Märchen geschrieben, die mit klassischen Rollenbildern brechen und marginalisierten Gruppen eine Bildfläche geben. So gibt es Held*innen mit Behinderung, *trans Tiere und eben schwule Prinzen und asexuelle Figuren. 

Ohne Vorurteile und empowernd werden klassische Geschichten neu erzählt, neue Blickwinkel gezeigt und Vorbilder präsentiert, die viele von uns so sicher nicht aus alten Märchenbüchern kennen. Ohne Kitsch oder Klischee werden Rollenvorbilder, Familienmodelle und gesellschaftliche Schichten in den Geschichten präsentiert, die so ein echtes Abbild der Gesellschaft erzählen. Helden sind nicht nur männlich, arme Menschen nicht direkt böse oder bedrohlich – alle Dimensionen der Vielfalt finden ihren Raum in den Märchen.

Wer also einen Märchentag im Ferienlager plant oder Kindern Geschichten vorlesen möchte, sollte unbedingt einen Blick in Märchenland für alle“ werfen. Denn neue, moderne Märchen können berühren, aktuell sein und uns allen Vorbilder bieten – egal ob Mann, Frau, trans-ident, behindert, schwul, bi oder arm.

„Sprache und Sein“ von Kübra Gümüsay

Ab sofort möchte ich euch unregelmäßig Bücher vorstelle, die ich gerade lese und die mich beschäftigen. “Sprache und Sein*” von Kübra Gümüsay stand schon lange auf meiner Leseliste. Und tatsächlich kann ich es, seitdem ich es aufgeschlagen habe, nur schwer aus der Hand legen. Die Sehnsucht nach einer Sprache und einer Gesellschaft, in der es nicht um DIE und MICH / UNS geht, die Menschen nicht in Kategorien packt, sondern die Menschen als Individuen begreift, ist eine der Leitgedanken, den Kübra Gümüsay wunderbar ausformuliert. All zu oft erleben wir doch, dass wir pauschalisieren und von „DEN“ Muslim*innen sprechen, „DEN“ Kopftuchträgerinnen oder „DEN“ Geflüchteten. Aber warum? Weil es einfach ist?!?

Ich trage die Gedanken der Kapitel, die ich bisher gelesen habe, seitdem mit mir herum und reflektiere mein Verhalten, meine Sprache, aber auch immer stärker Talkshows, Medien und Politik.

Auch für die Jugendarbeit sind die Gedanken interessant und relevant: Machen wir es uns auch manchmal einfach, wenn wir pauschal urteilen, weniger genau auf die Individuen schauen und allgemein formulieren?

Ich empfehle uneingeschränkt dieses Buch, um zu verstehen, wie Menschen sich fühlen, die durch Sprache marginalisiert, pauschalisiert und vielleicht zum Teil auch ent-menschlicht werden.

“WIR.: Weil nicht egal sein darf, was morgen ist.” von Louisa Dellert

Wie soll unsere Gesellschaft in der Zukunft aussehen? Welche Brücken müssen gebaut und welche Diskussionen geführt werden? Louisa Dellert, Autorin und Unternehmerin, geht in ihrem heute veröffentlichten Buch „WIR*“ auf Spurensuche, welche Themen unsere Gesellschaft im Moment am stärksten beschäftigen, welche Konfliktlinien vorherrschen und wie diese überwunden werden können.

Ich freue mich sehr, dass ich das Buch vorab lesen durfte – und empfehle es an dieser Stelle gerne weiter. In sechs Kapitel hat sie die Themen unserer Zeit gegliedert: Feminismus, Klimakrise, Chancen(un)gleicheit, Migration und Flucht, Rassismus, digitale Gewalt.

Neben einer sachlichen Einführung in diese Komplexe nimmt die Autorin die Leser*innen mit auf eine digitale Deutschlandreise und berichtet aus Gesprächen, die sie mit Betroffenen und/ oder Aktivist*innen aus den jeweiligen Bereichen geführt hat. Sie hört zu, sucht Zusammenhänge und klärt so auf. Mit der Mischung aus Gesprächen, Sachinformationen und persönlicher Einordnung gelingt so ein individueller und doch informierender Überblick über die Themen. Der Appell in jedem Kapitel ist dabei klar: Jede*r kann etwas in der Gesellschaft tun, damit das Morgen lebenswerter für alle wird.

Ein Buch, dass es schafft, unterschiedliche Realitäten zu präsentieren, dem Kopf neues Futter zum Denken zu geben und ein deutlicher Appell, wieder mehr zuzuhören. Gerade jetzt, in politisch so heiklen Zeiten, ein lesenswertes Buch, um sich selbst der Frage nach dem eigenen Verständnis vom „WIR“ zu stellen.

„Gib mir mal die Hautfarbe – Mit Kindern über Rassismus sprechen“ von Olaolu Fajembola und Tebogo Nimindé-Dundadengar

Wie Erziehung und Begleitung von Kindern rassismusarm oder -frei gelingen kann und welche Themen Eltern, aber auch Erzieher*innen und Pädagog*innen beachten sollen, stellen die beiden Schwarzen Autorinnen Olaolu Fajembola und Tebogo Nimindé-Dundadengar in ihrem Buch „Gib mir mal die Hautfarbe*“ ausführlich vor. Die beiden Gründerinnen setzen sich dabei im ersten Teil des Buchs ausführlich mit der Entstehung von Rassismus, der Sozialisation von Kindern und der deutschen (Kolonial-)Geschichte auseinander. All dies ist notwendig, um zu verstehen, wie Kinder ihre Sicht auf die Welt entwickeln, in welchem Umfeld sie aufwachsen und insbesondere auch, um zu begreifen, die tief rassistische Strukturen in der Gesellschaft vorhanden sind.

Nach und nach können sich Leser*innen so erschließen, wo Ansatzpunkte in der Erziehung sind, um Kinder für rassistische(s) Verhalten, Bilder und Aussagen zu sensibilisieren und diese(s) aus der Lebenswelt nach und nach zu verbannen. Dazu arbeiten die Autorinnen mit Checklisten, vielen Beispielen und Definitionen, um alle mitzunehmen und Grundwissen aus diesem Themenfeld zu vermeiden.Auch für Jugendleiter*innen ist das Buch absolut lesenswert, denn neben den geschichtlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen, die jede*r wissen sollte, bietet es auch Einordnungen von Kinderspielen, -liedern und -geschichten, die kritisch betrachtet werden sollten.

Denn nur all zu oft enthalten gerade sogenannte „Klassiker“ herabwürdigende (Fremd-) Bezeichnungen und Charakteristiken, die fragwürdige Haltungen zu anderen Kulturen und Nationen transportieren. Ganz zu schweigen von Liedern, die das N*-Wort beinhalten.

“Sei kein Mann” von JJ Bola

Was macht einen Mann zum Mann und was macht eine Frau zur Frau? Gibt es Männlichkeit überhaupt – oder muss es nicht vielmehr „Männlichkeiten“ heißen, den jede*r ist ja doch irgendwie anders? Mit diesen und weiteren Fragen setzt sich das Buch „Sei kein Mann*“ von JJ Bola auseinander. Es dekonstruiert die Vorstellung, dass es DEN Mann gibt und weitet den Blick auf die individuelle Sozialisation von Menschen, auf Erfahrungen, kulturelle Prägung und Normen, die seit Jahrhunderten uns und unser Umfeld prägen.

Das Buch bietet viele Anknüpfungspunkte, um das eigene Handeln und Denken als Mann zu hinterfragen, sich der Privilegien und Gedanken zu stellen und mehr über die eigene Verantwortung gegenüber allen in der Gesellschaft nachzudenken. Auch wenn ich nicht alle Schlüsse des Autoren teile, sehe ich trotzdem die Chance darin, Klischees und Sprüche, die oft unterbewusst reproduziert werden, zu hinterfragen und sich selbstbewusst mit dem eigenen Auftreten auseinanderzusetzen.

Ein guter Einstieg, um sich mit Begriffen und Systemen wie Feminismus, Patriarchat und Heteronormativität auseinander zu setzen und auf neue Gedanken und Sichtweisen zu kommen.

“Es kann nur eine geben” von Carolin Kebekus

Nicht nur durch ihre eigene Show kennt man Carlin Kebekus, auch durch Auftritte in diversen Podcasts und anderen TV-Formaten. Kämpferisch und meinungsstark sind ihre Auftritte durch meist – klares Ziel: Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft mit spitzer Zunge und scharfem Humor kritisieren. Und genau das macht sie auch in ihre Buch “Es kann nur eine geben*”. Mit ihrem feministischen Blick arbeitet sie kulturelle und gesellschaftliche Ungleichbehandlungen von Mädchen und Frauen in Medien, Kirche und zum Beispiel auch sozialen Medien heraus. Sie prangert an, appelliert an alle, sich einzusetzen, und motiviert Frauen, sich zu verbünden und weniger gegeneinander und mehr miteinander zu arbeiten.Auch als Mann eine spannende Lektüre, die sich nicht schont, auch vermeintliche Tabus ausführlich zu besprechen. Wer also mehr über die patriarchalen Strukturen unserer Gesellschaft erfahren möchte und offen für Kritik an dem System ist, der wird in diesem Buch eine unterhaltsame, lockere und zugleich lehrreiche Einführung finden.

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Daniel
Daniel
Hallo, schön, dass du hier vorbeischaust. Ich bin der Kopf hinter dem Jugendleiter-Blog und bin seit über 10 Jahren in der Jugendarbeit aktiv, habe viele Jahre einen Verband geleitet und blogge hier über meine Erfahrungen aus mehr als 100 Freizeittagen und 200 Gruppenstunden. Meine besten Spiele und Ideen sind als Bücher erschienen.

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